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Schöne neue digitale Welt

13.09.2024 Dirk Fey

Kategorie: Filmarchiv

Wie das neue Media Asset Management-System die Arbeit im Filmarchiv umkrempelt

Im Mai 2024 hat im Film- und Tonarchiv des LWL-Medienzentrums ein neues Zeitalter begonnen. Mit der Inbetriebnahme des Archivsystems „Cube Collections“ sind endlich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, die drängenden Anforderungen in den Bereichen digitale Langzeitarchivierung, Rechtemanagement und zeitgemäße inhaltliche Erschließung digitaler Medien professionell zu bearbeiten.

Wie alle Film- und Tonarchive stand auch unsere Einrichtung vor dem Problem einer immer größeren Anzahl an dateibasierten audiovisuellen Werken, ohne die für die Verwaltung und dauerhafte Archivierung notwendigen Werkzeuge in Gestalt eines Media-Asset-Managementsystems zu besitzen.

Die Digitalisierung der alten analogen Datenträger im Bestand des Film- und Tonarchivs ist in den vergangenen Jahren immer schneller vorangeschritten, zudem hat sich durch neue Technik die Qualität und damit einhergehend die Dateigröße der einzelnen Digitalisate alter Film- und Videoträger massiv erhöht. Daneben nimmt aber auch der Bestand an rein digital entstandenen Film- und Tondokumenten („digital born“) aus der eigenen Medienproduktion des LWL-Medienzentrums und von anderen Filmgebern immer mehr zu.

Viele tausende dieser unterschiedlichen Dateien wurden bis in die jüngste Vergangenheit händisch verwaltet und an verschiedenen Speicherorten verteilt.  Essentielle Punkte wie automatisierte Workflows und das Auslesen technischer Metadaten konnten nicht umgesetzt werden, so das letztlich die Erhaltung der digitalen Filmscans und anderer rein digital vorliegender audiovisueller Werke nicht gewährleistet war. Das hat sich mit dem neuen System nun grundlegend geändert.

1. Sammlungsverzeichnung, Medieninventarisierung und Lagerverwaltung

Die neue Datenbank „Cube Collections“ bietet bessere Möglichkeiten, Informationen zu den jeweiligen Sammlungen mit den darin enthaltenen Film- und Tonwerken zu verbinden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rechteverwaltung. Diese beinhaltet nun eine integrierte Ampelfunktion mit detaillierten Rechtekategorien, welche die Suche nach nutzbarem Material deutlich erleichtert. Vertragsunterlagen oder überlieferte Lagerkarten oder Schnittlisten können gescannt und als digitales Begleitmaterial angehängt werden.

Alle Datensätze werden im System durch systemgenerierte UUIDs (Universally Unique Identifier) -  eine einzigartige Zeichenkette aus Zahlen, Buchstaben und Bindezeichen – eindeutig gekennzeichnet. Die analogen Träger werden mit speziellen, archivgerechten Etiketten versehen, die vom System neben den lesbaren Kürzeln und Nummern auch mit maschinenlesbaren QR-Codes versehen werden. Sie können im Archivsystem an die verschiedenen Träger angepasst werden, das System überwacht die Vergabe der Archivnummern. Probleme mit versehentlich doppelt vergebenen Nummern gehören damit der Vergangenheit an. Zustandsbeschreibungen, Format- und Materialeigenschaften der verschiedenen Träger können im Datensatz ergänzt werden, soweit diese bei der Inventarisierung schon ersichtlich sind.

2. Trägerbefundung, Restaurierung und Digitalisierung

Im Rahmen der Digitalisierung und der dafür notwendigen Vorarbeiten fallen weitere Informationen an, die archivwürdig sind. Dazu zählen genauere Angaben zu Schäden oder eventuelle Restaurierungsbemühungen an den Medienträgern, die im System verzeichnet werden können. Auch können Abspielgeräte und gewählte Einstellungen während des Digitalisierungsprozesses festgehalten werden, bereits vor der eigentlichen Digitalisierung werden Fotos von den Medienträgern angefertigt und dem Digitalisierungsprozess angeheftet, so dass der Originalträger nicht mehr in die Hand genommen werden muss.

Jeder Digitalisierungsprozess wird jeweils mit einer eigenen UUID gekennzeichnet, diese Zeichenkette begleitet das dabei entstandene Digitalisat als Dateiname durch den weiteren Bearbeitungsprozess. Die Benennung mit einer Digitalisierungs-UUID erfolgt auch für Dateien, die schon als rein digital entstandene Film- und Tondokumente („digital born“) aus der eigenen Medienproduktion des LWL-Medienzentrums und von anderen Filmgebern an das Archiv abgegeben werden und deshalb den eigentlichen Digitalisierungsprozess nicht durchlaufen.

3. Datenkontrolle, Metadatenanalyse und Digitalisatsbefundung, Qualitätskontrolle und Relevanzbeurteilung

Nach Abschluss der Digitalisierung durchläuft die dabei entstandene Datei vollautomatisch mehrere Prozesse. Zunächst wird für die bei der Digitalisierung entstandene Datei eine Prüfsumme erstellt, um nach diversen Transfers und Kopierprozessen die Vollständigkeit und Richtigkeit der Daten kontrollieren zu können. Dann werden von der originalen Datei jeweils eine Sichtungskopie und eine Produktionskopie erstellt, dabei handelt es sich um unterschiedlich stark komprimierte Formate für verschiedene Nutzungszwecke. Anschließend werden von allen drei Dateien die technischen Metadaten wie z.B. Angaben zum Containerformat, Video-Codec oder Seitenverhältnis ausgelesen und gemeinsam mit den Prüfsummen in Begleitdateien gepackt. Alle Dateien und Zusatzmaterial werden anschließend als Datenpaket in einen Ordner gepackt, mit einer Packliste versehen, die den Inhalt des Datenpakets auflistet, und so ins Archivsystem überführt.

Das empfangende Archivsystem prüft die Vollständigkeit des Datenpakets und die Integrität der darin enthaltenen Daten und überführt sie in die entsprechenden Verzeichnisse des Systems. Der Archivar bzw. die Archivarin kann nach erfolgreichem Transfer mittels einer Vorschaufunktion eine Qualitätskontrolle und Relevanzbeurteilung des Inhalts der Datei vornehmen und mittels einer Auswahlfunktion entscheiden, welche der vorliegenden Dateien behalten werden soll. Auch lassen sich ergänzende Angaben zum digitalen Film hinterlegen (Kratzer, Farbeverschiebungen, Abspielgeschwindigkeit).

4. Datenmanagement, Speichermanagement und die digitale Langzeitarchivierung

Nach Freigabe wird das System aktiv und verschiebt die Dateien auf die verschiedenen Speicherorte. Die großen Archiv- und Produktionsdateien werden in einer vollautomatisierten Bandbibliothek (Tape-Library) gespeichert, was den Vorteil hat, dass dort regelmäßig und automatisiert eine Datenvalidierung stattfindet. Die Vorschaudateien dagegen werden für den direkten Zugriff auf einem Server gespeichert, damit der Player des Archivsystems zu Zwecken der Bewertung, inhaltlichen Erschließung, Sichtung und Bestellung darauf zurückgreifen kann.

Die Speicherung der Dateien samt der begleitenden Metadaten macht es im späteren Verlauf erst möglich, obsolete Dateiformate aus der Masse des Bestandes herauszufiltern und dann ggf. durch aktuellere Formate ersetzen zu können.

5. Inhaltliche Erschließung

Nachdem die Dateien im System zur Verfügung stehen, lassen sich die darin enthaltenen Werke inhaltlich erschließen.

Um die Gliederung der Filmwerke besser darzustellen und die Probleme bei der Abbildung verschiedener Versionen oder Entwicklungsstufen (z.B. Arbeitskopien) zu beheben, wurde besonderes Augenmerk auf die Möglichkeit der Darstellung von Beziehungen und Abhängigkeiten gelegt. Das Archivsystem bietet dafür mit den Verzeichnissen „Filmserie“, „Filmfassung“, „Film“, „Filmteil“ und „Filmfragment“ alle Möglichkeiten, um Filmwerke bis auf die Sequenzebene gliedern und Beziehungen der Teile untereinander darstellen zu können.

Für die Szenenbeschreibung bietet „Cube Collections“ die Möglichkeit, den Film über einen integrierten Player zu sichten und durch die Markierung von Szenengrenzen durch das System Sequenzen erstellen zu lassen, die mit einer inhaltlichen Beschreibung versehen und als Bild- oder Audiobeschreibung gekennzeichnet werden können.

6. Recherche, Sichtung, Bestellung und Auslieferung

Die Beschreibung auf Sequenzebene hat für die recherchierenden Nutzerinnen und Nutzer den Vorteil, dass ein Treffer in der Szenenrecherche sie direkt zum gesuchten Ausschnitt führt, ohne den Film durchsuchen zu müssen. In den Genuss dieser Funktion kommen allerdings nur interne Nutzerinnen und Nutzer der Filmdatenbank. Für die Externe steht eine Online-Recherche zur Verfügung, mit der aus Rechtegründen nur eine Textrecherche möglich ist und das Sichtungsmaterial bestellt werden kann.

Beide Recherchemöglichkeiten, sowohl die Online- als auch die Inhouse-Variante, haben ihre speziellen Stärken. Punktet die Online-Variante mit einer übersichtlichen und einfachen Bedienung und dem komfortablen Navigieren durch die markierten Treffer, so erlaubt die Hauptdatenbank eine tiefere Suche über alle Datenfelder in allen Verzeichnissen.

Über eine Warenkorbfunktion können Dateien gesammelt und anschließend bestellt werden, das System liefert diese anschließend mit der Bestell-ID markiert auf ein Laufwerksverzeichnis für den direkten Zugriff am PC.

Fazit

Seit der Einführung des Systems konnten bereits annähernd 700 Filme mit mehr als 100 Terabyte in die Speicher überführt werden. Dutzende Dateien, die während des Transfers korrumpiert wurden, konnten durch das System dabei herausgefiltert und neu eingespeist werden, was die Zuverlässigkeit der Prüfmechanismen unter Beweise stellte. Bestell- und Validierungsprozesse haben sich enorm vereinfacht und beschleunigt, das Handling der neuen Software wird durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelobt, einzelne Nachbesserungen erfolgen, wenn Optimierungsmöglichkeiten erkannt werden. Um das neue Archivsystem herum werden weitere Workflows an den Digitalisierungsstationen umgesetzt, die die Datenzulieferung vereinfachen und beschleunigen werden. Die Einführung des MAM-Systems Cube Collections war somit erfolgreich.