Im Fokus Online - Neues aus dem LWL-Medienzentrum für Westfalen
Trümmerjahre
Kriegs- und Nachkriegszeit in Foto-, Film- und Textquellen aus Westfalen – Ein Seminar für Studierende
Mit dem Epochenjahr 1945 verbinden sich zwei gegenläufige kollektive Erinnerungen: Einerseits die an die Schrecken der letzten Kriegsphase und die Not der unmittelbaren Nachkriegszeit, andererseits die an das Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Neubeginn unter demokratischen Vorzeichen. Während in den ersten Jahrzehnten die Formel von der „Stunde Null“ den öffentlichen Erinnerungsdiskurs bestimmte, die stark den Zäsurencharakter des 8. Mai 1945 betonte, werden inzwischen viel stärker die gesellschaftlichen und mentalen Kontinuitäten zwischen Kriegs- und Nachkriegszeit herausgestellt.
Ein gemeinsames Seminar der Universität Münster und des LWL-Medienzentrums für Westfalen fragt im Sommersemester 2025 aus Anlass des 80. Jahrestags des Kriegsendes danach, wie sich der Übergang vom Krieg zum Frieden und von der Diktatur zur Demokratie in verschiedenen Quellengattungen aus der Region Westfalen niederschlug und wie deren historischer Aussagewert einzuschätzen ist.
Den Schwerpunkt bilden Film- und Fotoquellen, die im Bild-, Film- und Tonarchiv des LWL-Medienzentrums überliefert sind. Dazu zählen zum einen Filmaufnahmen wie die der Amateurin Elisabeth Wilms, die sowohl während des Krieges als auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Alltag ihrer Mitmenschen mit ihrer 16-mm-Kamera festhielt. Zum zweiten wird die Übung auch verschiedene Sammlungen regionaler Fotografen in den Blick nehmen, die aus unterschiedlichen Beweggründen die Zerstörungen des Bombenkrieges dokumentierten. Gewissermaßen eine Gegenüberlieferung bilden Aufnahmen der alliierten Truppen, die im Frühjahr 1945 Westfalen besetzten und u.a. die Befreiung von Zwangsarbeiterlagern und die Entdeckung von Kriegsendverbrechen filmten und fotografierten. Ergänzt werden diese visuellen Medien durch ausgewählte schriftliche „Ego-Dokumente“ – wie Tagebücher und Briefwechsel – die sehr persönlichen Einblicke in Erlebnisse und Erfahrungen der „Zusammenbruchgesellschaft“ (Bernd Rusinek) in Westfalen vermitteln.
Auch wenn sich in solchen Quellen besonders anschaulich viele Aspekte der Sozial- und Alltagsgeschichte der Jahre 1943-1948 spiegeln, sind sie natürlich nicht einfach „authentische“ Abbildungen, sondern immer nur Ausschnitte und Deutungen der damaligen Wirklichkeit, die es bezüglich ihrer Inhalte, ihrer Entstehung und ihrer Verwendung quellenkritisch zu analysieren gilt. Das Seminar möchte am Beispiel der visuellen Überlieferungen der „Trümmerzeit“ generell Wert und Grenzen von Filmen und Fotografien als Quellen der regionalen Zeit- und Sozialgeschichte diskutieren. Es wird dabei auch in die Sammlungs-, Archivierungs- und Erschließungsarbeit des Bild-, Film- und Tonarchivs im LWL-Medienzentrum einführen.
Die Veranstaltung setzt die Reihe der regelmäßig im Sommersemester vom LWL-Medienzentrum und dem Historischen Seminar der Universität Münster angebotenen audiovisuellen Quellenübungen fort. Sie beginnt am 18. April und findet immer montags von 16-18 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nur für Studierende der Universität Münster möglich.